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Interview mit Janina Kugel

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Jasmin

26. Apr. 2021


Wir freuen uns sehr, dass wir mit einer der spannendsten und inspirierendsten Personen über das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf sprechen dürfen: Janina Kugel.

Janina Kugel zählt zu den einflussreichsten Frauen in der deutschen Wirtschaft. Sie war im Vorstand der Siemens AG für rund 380.000 Mitarbeiter zuständig. Sie ist seither als Aufsichtsrätin und Senior Advisorin tätig. Außerdem ist sie Mitglied internationaler Beiräte in Bildung, Kultur und Wirtschaft und berät die Bundesregierung. Als Ted-Talkerin und Speakerin bei internationalen Tech- und Zukunftskonzernen vertritt Janina Kugel die Themen Disruption, Diversity und Digitalisierung.

Vor kurzem hat sie das Buch herausgebracht: "It's now: Leben, führen, arbeiten – Wir kennen die Regeln, jetzt ändern wir sie." Darin erzählt sie von ihren persönlichen Erfahrungen und ermutigt uns mit konkreten Vorschlägen und Denkanstössen, wie wir Wandel gestalten und in dieser rasant verändernden Arbeitswelt optimistisch neue Wege gehen können.*

Wir sind sehr beeindruckt von Janinas Werdegang, nicht nur weil sie eine der wenigen Frauen in Topmanagement-Positionen und prominente Mitinitiatorin der Kampagne #ichwill ist, sondern vor allem auch, weil sie Mutter von zwei Kindern ist. Damit ist sie für uns eine wichtige Influencerin für das Thema Vereinbarkeit und wir sind an ihrer Meinung zum Thema Kind und Karriere sehr interessiert:

Liebe Janina, als Top Managerin und Mutter, welche persönlichen Erkenntnisse kannst Du anderen Eltern mitgeben, die vor Vereinbarkeitsherausforderungen zwischen Familie und Beruf stehen?

Als meine Kinder auf die Welt kamen, war ich ja noch nicht Topmanagerin. Aber die Frage nach der Vereinbarkeit stellt sich für alle Eltern, die arbeiten, unabhängig von der Position. Es geht nicht ohne irrsinnig viel Planung, Absprachen und oft auch Jonglieren. Manche Tage klappen gut, an anderen bricht alles zusammen und weder Plan A, noch Plan B funktionieren. Man braucht Flexibilität im Kopf, am besten auch Flexibilität am Arbeitsplatz, aber vor allem ein rigoroses Zeitmanagement für sich selbst: Klare Zeiten für Familie oder Sport, die gegenüber den Anforderungen aus dem Job verteidigt werden müssen, auch wenn das immer mal wieder dazu führt, dass man aneckt.

Hast Du auch mal schlechtes Gewissen gehabt, wenn Du einer Deiner Rollen nicht gerecht werden konntest? Wie bist Du damit umgegangen?

Klar hatte ich das auch immer wieder, aber im Laufe der Jahre wurde es weniger. Man gewöhnt sich daran und man weiß, was man kann und was nicht. Man kann nicht immer allen gerecht werden und darf auch nicht den Perfektionsanspruch in allen Lebensbereichen haben, sondern muss akzeptieren, dass die Zeit nicht für alles ausreicht. Wer die Mischung aus Job und Familie haben möchte, bekommt ja auch Bestätigung aus beiden Bereichen – ich fand das immer zufriedenstellender, als wenn ich auf das ein oder andere hätte verzichten müssen.

Wie könnten die Gesellschaft und die Politik die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern? Und was steht dem immer noch im Weg?

Unsere Gesellschaft ist noch immer von recht traditionellen Rollenvorstellungen geprägt, in der Männer die Rolle des Hauptverdieners einnehmen und Frauen – zumindest nach der Geburt von Kindern – dazu verdienen und den Großteil der Sorgearbeit übernehmen. Auf diesen Vorstellungen basieren noch einige unserer Gesetze und es erfordert kontinuierliches Handeln, um diese aufzulösen. Das Ehegattensplitting gehört dazu, das belohnt, wenn einer in der Ehe viel und der andere wenig oder gar nichts verdient. Die Anreize sind also nicht so gesetzt, dass die Erwerbstätigkeit beider Ehepartner gefördert wird und hat auch nichts mit Familiensplitting zu tun. Aber auch die institutionellen Rahmenbedingungen in Deutschland, vor allem im Westen, sind nicht wirklich dazu geschaffen, dass in Familien mit Kindern beide Elternteile voll arbeiten können. Denn es gibt nicht genügend Ganztagsplätze in Kitas, noch sind sie flächendeckend vorhanden, und bei Ganztagsschulen sieht die Situation nicht besser aus.

Und auch eine Neuregelung des Elternzeitgesetzes mit einer höheren Anzahl an Vätermonaten würde gleichberechtigtere Familienmodelle fördern. Denn es gibt auch genügend Väter, die mehr Zeit mit der Familie verbringen wollen. Es würden also alle profitieren.

Noch eine persönliche Frage zum Schluss: Was gibt Dir in herausfordernden Situationen besonders viel Kraft? 

Ich glaube, jeder von uns braucht einen Ausgleich. Bei mir ist das auf der einen Seite der Sport – das Laufen. Über lange Jahre hinweg war das die einzige sportliche Konstante, die in mein Leben gepasst hat. Als Alleinzeit, zum Stress abbauen und zum Regenerieren. Und auf der anderen Seite sind es für mich Menschen, denen ich vertraue und, die mich als Mensch nehmen, wie ich bin. Mit denen man über alles sprechen und auch lachen kann, die einen bestärken, aber auch kritisches Feedback geben. Denn dann werden auch so große Probleme schaffbar.

Liebe Janina, wir danken Dir ganz herzlich für Deine wertvollen Impulse und vor allem, dass Du Dir für das Interview die Zeit genommen hast.

* Mehr zu Janinas Buch findet ihr hier: https://www.penguinrandomhouse.de/Buch/Its-now/Janina-Kugel/Ariston/e587173.rhd